Freitag, 6. Juni 2014

Die Psychosomatik von Magen und Darm

Psychosomatik und Magen-Darm-Beschwerden: Bauchschmerzen und Verdauungsprobleme psychosomatisch betrachtet.

Die Psychosomatik von Magen und Darm

Können Sie Ihrem Bauchgefühl vertrauen? Liegt Ihnen etwas schwer im Magen? Schlucken Sie ihre Wünsche und Bedürfnisse „tapfer" runter oder können Sie gut für sich sorgen und ehrlich sein, auch wenn Sie sich dadurch in manchen Situationen verletzlicher fühlen?
Die Weisheit des Körpers ist kaum irgendwo direkter und greifbarer als im Bereich der Beschwerden des Magen-Darm-Traktes.
Was bereitet Ihnen Bauchschmerzen - immer wieder? Ihr Chef, Ihr/e Partner/in? Was liegt Ihnen schwer im Magen, brennt Ihnen ein Loch in den Bauch oder wurmt Sie sogar? Eine Entscheidung, Wut oder Sorgen? Wie so oft gibt uns der Volksmund auch hier schon erste Hinweise.

Fragen zu psychosomatischen Magen-Darm-Problemen

Schlucken Sie Impulse und Gefühle immer wieder herunter?
Haben Sie früh gelernt für alles allein verantwortlich zu sein?
Was für Erfahrungen haben Sie beim Äußern und Erfüllen von Bedürfnissen gemacht?
Haben Sie überhaupt gelernt, Bedürfnisse zu äußern?
Wurden diese dann auch gehört, ernst genommen und erfüllt?
Oder hat man sich dann im Sinne des Familienwertesystems über Sie lustig gemacht und Leistungsdruck aufgebaut?
Wo haben Sie das gelernt? Haben Ihre Eltern das auch schon so gemacht?
Was ist so verborgen oder gar verboten, dass man nicht darüber redet? Liebe, Sehnsucht, Zartheit, Verletzlichkeit, Wut oder Hass?
Die eigenen Bedürfnisse nach Grenzen, die Sehnsucht nach Geborgenheit?


Seelischen Hunger zeigen

Im Gegensatz zu Menschen mit Hauterkrankungen, denen ebenfalls früh im Leben Geborgenheit, Berührungen und guter Kontakt fehlte, versuchen die Menschen mit Magen-Darm-Beschwerden vor allem, Aufmerksamkeit, Zuspruch und Geborgenheit durch Leistung zu bekommen.
Für das Kind ist das gestillt und gefüttert werden identisch damit, geliebt und versorgt zu werden. Säuglinge fühlen sich geliebt und versorgt oder ungeliebt und unversorgt, wenn sie nicht ihren altersgemäßen Bedürfnissen entsprechend versorgt werden.
Wie viele Generationen sind noch im 4-Stunden-Takt gesäugt worden? Das dadurch entstehende Gefühl des „ungeliebt-Seins" und „nicht-willkommen-Seins" taucht später im Erwachsenenalter meist unbewusst wieder auf und erzeugt entsprechende Gefühle und Handlungen.

Psychoperistaltik und Gerda Boysen

Die 1922 in Norwegen geborene Gerda Boysen hat eine bahnbrechende Entdeckung gemacht, die zu einem Grundstein für die Körperorientierte Psychotherapie wurde. Sie hat als Erste den Abbau seelischer Spannungen durch das Verdauungssystem erforscht und beweisen können.
Gerda Boysen hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, während der Behandlung den Darm mit einem Stethoskop abzuhören. Dabei war ihr aufgefallen, dass durch die Massage am Körper (z.B. verspannten und schmerzhaften Schultern) die Verdauungsgeräusche stärker wurden in Darmbereichen, in denen es vorher stagniert hatte - es gab eine Art körperliches Feedback, das mit verschiedenen Gluckergeräuschen auf die Entspannung der Muskulatur im Arm reagierte.
Sie nannte das Psychoperistaltik, da im Darm Verdauungsgeräusche wie bei der „normalen Verdauung" entstanden.
Wichtiger noch war die Beobachtung, das dadurch ein scheinbar unbewusster Prozess der seelischen Verdauung in Gang gesetzt wurde, der zu einer bewussten Veränderung der eigenen Sichtweise führte, die ihren Klienten die Problembewältigung erleichterte. Diese Methode nannte sie Biodynamische Körperarbeit. Sie zeigt uns, wie nah Seele und Bauchgefühl miteinander verwoben sind.


Psychosomatische Magen-Darm-Beschwerden - oft ein Stress-Symptom

Krankheiten im Bereich des Magen-Darm-Traktes sind meistens eine Folge von Dauerstress, Überlastung, Einsamkeit bzw. dem Gefühl, alles alleine machen zu müssen, von Sorgen und mangelnder Kommunikation über die zu Grunde liegenden Wünsche.
Eine meiner Klientinnen hatte lange mit einer ungelösten Beziehungsproblematik zu kämpfen. Sie hielt ihre Gefühle und Impulse förmlich fest und bekam ab einem bestimmten Punkt immer wieder Magenschmerzen. In ihrem Falle hatten die Beschwerden mit unausgesprochenem Ärger und dem unausgesprochenen Bedürfnis nach Unterstützung zu tun. Sie geriet dadurch innerlich immer wieder in einen emotionalen Stau, durch den sie die Situation gar nicht mehr klar einschätzen konnte.

Bedürfnisse wahrnehmen und mitteilen

Wir alle habe Bedürfnisse, große, kleine, wichtige oder lustvolle. Problematisch wird es erst, wenn wir sie nicht wahrnehmen oder schon im „Kleinen" nicht ansprechen.
Dann fangen sie an zu wachsen, werden immer größer und stärker und es wird immer schwieriger, sie anzusprechen - bis wir u.U. die Kontrolle verlieren und unser Gegenüber anschreien oder beleidigen. Es passiert dann genau das, was wir ursprünglich vermeiden wollten.
Impulse im „Kleinen" wahrzunehmen und sie anzusprechen ist ein ganz wichtiger Schritt, wenn wir unsere Gewohnheiten zum in eine gesunde Richtung verändern wollen.
Wir können es üben in Situationen, die uns weniger heikel erscheinen, wie z.B. beim Einkaufen, an der Tankstelle oder im Restaurant, mit Menschen, die uns nicht so nahe stehen oder in Situationen, in denen wir zu unserem Bedürfnis mehr inneren Abstand haben.
Die beste Burn-Out-Prävention besteht im Wahrnehmen der eigenen Wünsche und das Ansprechen derer „im Kleinen".

Eltern lieben brave Kinder

Durch die Art der Ernährung und Versorgung lernen wir etwas über Geben und Nehmen, Gehorsam und Ärger sowie Leistung und Erfolg. Prinzipiell lieben Kinder ihre Eltern. Sie wollen es ihnen Recht machen und brauchen deren Liebe und Versorgung.
Wenn es Schwierigkeiten gibt, lernen die Kinder sich anzupassen: Sie lernen, ihre Gefühle zu kontrollieren und „runter zu schlucken", wenn sie spüren, das diese ihren Eltern unangenehm sind. Wenn die Eltern gereizt reagieren oder mit Abwesenheit statt Zuwendung, können sie ihren Kindern das gesunde Selbstempfinden förmlich austreiben.
Neben der Unterversorgung - dem Mangel an Nahrung, Liebe Zuwendung oder Aufmerksamkeit - ist auch auch die „Überversorgung" mit Ersatzmitteln wie „Süßigkeiten" sehr verbreitet: Zucker, Kleidung und Spiele statt Liebe und Aufmerksamkeit.
Solche Kinder bekommen später oft eine Suchtproblematik und kämpfen mit Über- oder Untergewicht. Andere, die viel Lob für ihre Zurückhaltung bekommen haben, werden die besten und die fleißigsten Mitarbeiter - bis sie krank werden.
Häufig zeigt sich diese Entwicklung bei Erstgeborenen, die z.B. früh gelernt haben, ihre Bedürfnisse hinten an zu stellen, um überhaupt gesehen zu werden bzw. wenigstens Lob und Anerkennung zu bekommen - dafür, dass sie so „unkompliziert" sind.
Auf Dauer ist solch ein Verhalten aber „schwer verdaulich - man ärgert sich ein Loch in den Bauch - oder der Ehrgeiz frisst einen förmlich auf"!
Die eigentlichen Bedürfnisse bleiben unerfüllt:
Halt, Liebe und das Gefühl, dass das Leben (die Eltern) einen tragen. Zu fühlen: Ich werde unterstützt, ich bin nicht allein, ich fühle mich geborgen im Leben.

Psychosomatische Ursachen der Gastritis

Gesellschaftlich betrachtet neigen eher Männer zu Gastritis, da sie stärker dazu erzogen werden, ihre Probleme durch Leistung zu lösen. Männer sind vom Ulkus 5mal häufiger betroffen als Frauen. Die meisten Krankheitsfälle ereignen sich im 50sten Lebensjahrzehnt. Bei Frauen gibt es einen Anstieg nach der Menopause.
Gastritis ist eines der ersten „Stress-Symptome", das auftaucht, wenn wir aus unserem inneren Gleichgewicht fallen. Der Magen reagiert je nach innerer Gestimmtheit mit zu viel oder zu wenig Magensäure.
Wut, Ärger und Groll beschleunigen die Magenpassage und führen zu einer übertriebenen Magensäurebildung. Angst, Resignation, depressive Grundstimmung oder der Wunsch, der Wirklichkeit zu entfliehen, verlangsamen den Verdauungsvorgang d.h. zu wenig Magensäure wird hergestellt.

Hören Sie auf Ihren Bauch!

Die verborgenen ungewollten Gefühle und Bedürfnisse brauchen Gehör!
Dazu ein Fallbeispiel: Eine meiner Klientinnen hatte dauerhaft Magenschmerzen. Sie war bereits bei verschiedenen Ärzten gewesen und hatte diverse Medikamente, Säureblocker und Behandlungen erhalten.
Sie war ganz stark mit ihrer Wut und Enttäuschung über ihre Mitmenschen, Kollegen und ihren Partner verbunden und hatte dadurch gar keinen bewussten Zugang zu dem, was sie eigentlich selber wollte und wünschte.
Sie konnte die Frage danach, wie sie sich eine glückliche Beziehung vorstellen würde, welche Wünsche sie an ihren Partner hatte, die Frage nach ihren Sehnsüchten, Wünschen und Träumen gar nicht beantworten.
Dadurch, dass sie kein Gefühl für ihre weichen, verletzlichen, bedürftigen Seiten hatte, hatte sie auch kein gutes Händchen bei ihrer Männerwahl. Sie erlebte dieselben unerfüllten Situationen immer wieder, bis sie anfing, sich mit ihren eigenen Bedürfnissen auseinander zu setzten. Sie entwickelte ein wohlwollendes Mitgefühl für sich selber.  Aus dem heraus war sie in der Lage ein ihr gemäßes Leben zu gestalten.

„Alles, was ich fühle, kann ich auch heilen"

Als Erwachsene haben wir es in unserer Hand, zunächst selbst eine gesunde Verantwortung für unsere ureigenen Wünsche und Bedürfnisse zu übernehmen. Es geht in erster Linie darum, zu lernen, uns selber liebevoll anzunehmen und unsere Wünsche ernst zu nehmen.
Für manche Menschen ist der erste wichtige Schritt, sich zu erlauben, die eigenen Wünsche wahrnehmen zu dürfen. Das mag ein Wunsch sein nach Ruhe oder Kontakt, der in unserer Herkunftsfamilie tabuisiert wurde - oder die Verantwortung für eine gesunde und liebevolle Ernährung und ein erfülltes Leben.

Das gesunde Maß finden

Die meisten von uns müssen eher lernen anzunehmen, sich zu entspannen und loszulassen, um das zu bekommen, was wir uns wünschen - anstatt noch mehr zu ändern, noch effektiver zu werden, noch mehr zu geben .
Selbstakzeptanz, Versorgung und Selbstliebe verändern unser Leben von Grund auf. Auch wenn wir von all dem in unserer Kindheit zu wenig gehabt haben, haben wir als Erwachsene die Möglichkeit, diese Fähigkeiten zu entwickeln.

Quelle

LG